Die Alte Sternwarte Mannheim gehört zu den ältesten Gebäuden der Stadt und ist für Baden-Württemberg einzigartig. Von 1775 bis 1880 wurde hier astronomische Forschung betrieben, die besonders unter dem Astronomen Christian Mayer in der Ära des Kurfürsten Carl Theodor (1742 – 1799) zu einem „Markenzeichen“ wurde. Schon früh besuchten und bestaunten zahlreiche prominente Zeitgenossen wie Wolfgang Amadeus Mozart, Thomas Jefferson, die Astronomen De Lalande, Lexell, Olbers, Bessel u.a. die Sternwarte.
Gründung
Der Bau der Mannheimer Sternwarte wurde von dem Hofastronomen Christian Mayer initiert, geplant und überwacht. Die Rückreise von St. Petersburg hatte Mayer dazu genutzt, die Sternwarten in Åbo, Stockholm, Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, Hannover, Göttingen und Kassel zu besuchen, um sich über den Bau von Sternwarten auszutauschen. Am Silvestertag 1771 legte er dem Kurfürsten einen ausgearbeiteten Vorschlag mit Entwürfen zum Neubau einer Sternwarte vor. Darin kam Mayer zu dem Ergebnis, dass der günstigste Standort der neuen Sternwarte in der Nähe des Mannheimer Hofes sein müsse. Als Standort wählte man ein Grundstück hinter der Jesuitenkirche aus. Der italienische Architekt Rabaliatti und der Artillerie-Leutnant Johann Lacher setzten Mayers Vorstellungen um.
Am 1. Oktober 1772 erfolgte die Grundsteinlegung. Das fertige Gebäude hatte nach Berechnungen des Bauunternehmers Schlichterle ca. 19.000 Gulden gekostet. Zusammen mit der kostbaren Instrumenten-Ausstattung hatte die Sternwarte die ungeheure Summe von 83.000 Gulden verschlungen. Ein Arbeiter mit einem Monatslohn von 20 Gulden hätte dafür mehr 345 Jahre dafür arbeiten müssen. Als im Herbst 1775 der große Mauerquadrant von John Bird aus London an der Süd-Wand des großen Beobachtungssaales montiert wurde, war der Bau unter Dach und Fach und schon von den Astronomen Christian Mayer und Johann Metzger bewohnt.
Nutzung
Den ca. 33 Meter hohen, achteckigen Turm, dessen vier Hauptseiten nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, betritt man durch das Hauptportal von Westen. Es führt in das hohe und geräumige Erdgeschoss, von wo aus sich zwei weitere Türen nach Süden zu einem kleinen Garten und nach Norden zu einem Wirtschaftshof öffneten. Im Osten liegt das Treppenhaus, das die fünf ungleich hohen Stockwerke miteinander verbindet.
Im ersten Obergeschoss befand sich die Wohnung des Astronomen, ausgelegt für eine Person, da man beim Bau von zölibatären Bewohnern ausging. Die Wohnung bestand aus einer kleinen Küche, einem Wohnraum, einem Schlafkabinett und einem Schreibzimmer.
Im zweiten Obergeschoss lag der eigentliche Arbeitsplatz des Astronomen, der ca. 9,80 Meter hohe Beobachtungssaal. Hier waren die Teleskope, Quadranten, Globen und Pendeluhren aufgestellt. Vor den hohen Glastüren befinden sich nach Norden, Westen und Süden Balkone, nur nach Osten nicht, weil dort das Treppenhaus liegt.
Im dritten Obergeschoss lagen die Gästezimmer sowie eine kleine wissenschaftliche Bibliothek.
Im vierten Obergeschoss, dem Raum unter der Plattform, befand sich ein zweiter Beobachtungssaal mit einer Deckenhöhe von 5,90 Metern und Balkonen vor den Fenstertüren. In diesen Saal wurde 1778 ein Zenithsektor, hergestellt von dem englischen Instrumentenhersteller Jeremiah Sisson, mit kleiner Galerie eingebaut. Zur Beobachtung der Zenit nahen Sterne konnte eine kreisrunde Luke in der Plattform des Turms geöffnet werden.
Auf der Plattform, die mit einer gemauerten Brüstung umgeben ist, stand im Zentrum ein kleines Türmchen mit einem beweglichen Kupferdach, welches ebenfalls für astronomische Beobachtungen vorgesehen war.
Sternwarte nach 1880
Die Sternwarte als astronomische Forschungsstätte blieb mit einigen Unterbrechungen bis Mai 1880 in Betrieb. Nach dem Umzug der wissenschaftlichen Bibliothek und der astronomischen Geräte nach Karlsruhe war der Turm zunächst verwaist. Schließlich bekam ihn die Stadt Mannheim 1881 für einen Kaufpreis von 37.000 Mark zugesprochen. Sie wollte ihn als Wasserturm nutzen. Als sich dieser Plan zerschlug, ließ die Stadt im 1. und 3. Geschoss städtische Bedienstete wohnen. Auch als Aussichtspunkt wurde der Turm (gegen eine kleine Gebühr) wieder geöffnet.
1905/6 wurde der Turm erstmals gründlich renoviert. 1908 zog der Bildhauer Hermann Taglang in das zweite Obergeschoss der Sternwarte, das er wegen der hohen Fenster gut als Atelier nutzen konnte. Bis 1924 hatte er im ehemaligen großen Beobachtungssaal sein Studio. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war auf der Plattform der Sternwarte eine Camera Obscura installiert, mit der die Besucher einen Rundblick über Mannheim genießen konnten. Im Januar 1925 pachtete Franz Schwender den ganzen Turm und betrieb eine Buchhandlung im Erdgeschoss. 1936 zog in das dritte Obergeschoss der Architekt und spätere Professor für Bildhauerei Carl Trummer als Leiter der „Freien Akademie“ ein. Diese Kunstschule hatte zuvor in einem der Wachhäuschen des Mannheimer Schlosses residiert.
1940 gab das Land per Pachtvertrag den Turm bis 2021 in die Pflege und Obhut der Stadt Mannheim. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Sternwarte relativ unbeschadet. Neben Schäden an der Außenfassade durch Bombensplitter und Granateinschläge, zerstörte am 20. März 1944 eine Sprengbombe den Aufbau der Camera Obscura und einen Teil der Brüstung. Die Pläne, die das Hochbauamt Mannheim 1947 von dem Gebäude anfertigte, zeigen den Turm noch in seinen ursprünglichen Raumhöhen und Raumaufteilungen.
Im Dezember 1957 beschloss die Stadt die Wiederinstandsetzung und die Ausgestaltung des Gebäudes zu einem Atelierturm in einem Kostenrahmen von 158.000 DM. Die Renovierung begann im Januar 1958 und dauerte bis in den August 1958. Dabei wurde der ehemalige Beobachtungssaal im zweiten Obergeschoss in zwei Geschosse unterteilt. Dadurch bekam der Atelierturm ein weiteres Stockwerk.
Instandsetzung und Generalsanierung
1968 und 1976 waren neue Reparaturarbeiten an der Außenhaut des Turms nötig geworden. Seitdem wurde aber keine Generalsanierung mehr vorgenommen, das historische Kleinod drohte zu verkommen. Um den Verfall zu stoppen und das Denkmal geschützte Gebäude wieder in das Bewusstsein der Mannheimer zu rücken, gründete sich 2010 das „Aktionsbündnis Alte Sternwarte“, ein freiwilliger Zusammenschluss von Bürgern, verschiedenen Kulturinstitutionen und Ämtern der Stadt Mannheim. Dem Bündnis gelang es, eine Finanzierung von Land, Stadt, und Spendenbeiträgen zu organisieren, um die Sanierung der alten Sternwarte in Angriff nehmen zu können. 1,7 Millionen Euro kamen schließlich zusammen.
Die ausführliche Darstellung der gesamten Renovierung und weiteren Baumaßnahmen finden Sie unter dem Menupunkt Aktionsbündnis: „Renovierung 2008 – 2015“ und unter „Weitere Baumaßnahmen 2016 bis heute“